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Botrytis-Schimmel (Grauschimmel) – der stille Blütenkiller während der Blüte

  • 15-Aug-2025
  • 3 minutes read
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Wir kennen alle diesen Moment: Die Kultur tritt in ihre schönste Phase ein, die Colas schwellen an, das Aroma verdichtet sich, und im Kopf entstehen Pläne für ein perfektes Trocknen. Genau dann — wenn alles wie aus dem Katalog aussieht — erscheint Botrytis cinerea, bekannt als Grauschimmel. Kein Drama, kein Spektakel: Er nutzt nur ein wenig Feuchtigkeit und stehende Luft, um in wenigen Tagen aus Wochen der Arbeit grauen Staub zu machen.

Wie ein Botrytis-Befall beginnt

Anfangs ist nichts „Spektakuläres“ zu sehen. Ein leichtes Matt auf ein paar Zuckerblättern, als hätte ein Pinsel ihren Glanz abgewischt. Dann ändert sich der Geruch — weniger harzig, eher süß-muffig, schwer zu benennen, aber unübersehbar. In dichten Blüten entwickelt sich der Pilz von innen nach außen: Außen sieht es noch wunderbar aus, während der Kern bereits fault. Ein sanftes Zusammendrücken verrät eine Weichheit, wo eigentlich Federkraft sein sollte. Das ist der Alarm. Je früher du handelst, desto mehr rettest du.

Warum gerade jetzt?

Botrytis gedeiht bei viel Biomasse, steigender Luftfeuchte, kühleren Nächten und kaum Bewegung in der Luft. Das klassische „Risikofenster“ sind die letzten 2–3 Wochen der Blüte, besonders wenn:

  • die nächtliche rF über ~55–60 % klettert,
  • es im Zelt „tote Zonen“ ohne Luftbewegung gibt,
  • die Blüten-/Blattstruktur sehr dicht ist,
  • nach Lights-off Kondensation (Tau) in den Colas entsteht.

Viel braucht es nicht: ein paar Stunden stehende Luft, ein anhaftender Sprühfilm, ein ermüdeter Filter — schon entsteht ein Mikroklima, in dem der Pilz schneller wächst, als du Kaffee aufsetzen kannst.

Früherkennung – die Kunst, „mit den Fingern zu sehen“

Erfahrene Grower werden hellhörig, wenn sie bemerken:

  • einzelne Blütenflorets, die grau werden und beim Berühren zerbröseln,
  • Zuckerblätter, die an der Basis bräunen und sich papierartig lösen,
  • ein „gedämpftes“, wasserstauiges Gefühl im Inneren der Cola — Verlust der Sprungkraft,
  • eine Geruchsdrift in Richtung süßlich-muffig.

Scheue dich nicht vor kleinen, explorativen Schnitten. Lieber eine verdächtige Cola öffnen und sich vergewissern, dass sie innen gesund ist, als am Morgen eine graue Kathedrale vorzufinden.

Was tun, wenn Botrytis bereits da ist

Hier ist kein Platz für halbe Maßnahmen. Botrytis ist keine Verfärbung, die „vorübergeht“. Es ist ein Wettlauf.

  1. Sofortige Isolation und Entfernung.
    Mit scharfem, desinfiziertem Werkzeug (Isopropylalkohol) das gesamte befallene Gewebe mit Sicherheitsrand ins gesunde Gewebe entfernen. Nicht „abstäuben“ — Sporen fliegen wie Puder.
  2. Hygiene verdoppeln.
    Nach jedem Schnitt das Werkzeug abwischen. Handschuhe wechseln. Befallenes Material im Beutel versiegeln und aus dem Raum bringen. Niemals schimmelige Blüten trocknen oder zur Konsumverarbeitung nutzen.
  3. Klima in einer Stunde korrigieren, nicht morgen.
    rF tagsüber auf ~42–48 % senken und nachts etwas wärmer als tagsüber halten (inverses ΔT reduziert Kondensation). Luftaustausch erhöhen und sanfte, lokale Strömung durch das Blätterdach schaffen.
  4. Teilweise, kontrollierte Ernte erwägen.
    Treten trotz Maßnahmen täglich neue Herde auf, ernte die reifsten Partien etappenweise, bevor der Pilz es für dich „erledigt“.

Prävention — gib Botrytis keinen Anlass einzuziehen

Die Wahrheit: Grauschimmel gewinnt durch Logistik. Deine Antwort ist Organisation.

  • Geschichtete Luftbewegung.
    Ein Frontventilator reicht nicht. Sorge für leichten, stetigen Luftzug in Unter-, Mittel- und Oberzone. Blätter sollen zittern, nicht schlagen. Tote Zonen? Ventis umstellen, kleine Clip-Ventilatoren ergänzen.
  • Feuchte im Griff, besonders nachts.
    Das meiste Ungemach passiert nach dem Ausschalten der Lampen. Nach Lights-off die Abluft erhöhen; den Entfeuchter 1–2 Stunden zu Beginn der Dunkelphase laufen lassen. In der späten Blüte auf 45–50 % rF zielen.
  • Pflanzenarchitektur.
    Zielgerichtete Defoliation öffnet das Blüteninnere. Blätter entfernen, die Luft blockieren oder Blüten „verkleben“. Lieber etwas weniger Blattmasse als eine feuchte „Tasche“ im Groß-Top.
  • Keine nassen Blüten.
    Blattdüngung/Sprays in der Vegi — okay; in der Blüte — nein. Vermeide lokale Feuchte-Spitzen im Morgengrauen oder direkt nach Lights-off. Bei spätem Gießen so dosieren, dass das Medium nachts nicht „ausgast“.
  • Sauberkeit und Disziplin.
    Nach jedem Zyklus Zeltwände, Wannen, Gitter, Ventilatoren waschen. Filter und Schläuche prüfen, reinigen, ggf. tauschen. Neue Pflanzen wie VIPs behandeln: inspizieren, ggf. quarantänisieren.
  • Colas richtig dimensionieren.
    „Baseballschläger“-Colas wirken verlockend, ersticken aber von innen. SCROG-Netze und Training, die die Blütenmasse auf viele kleinere, „atmende“ Sites verteilen, senken das Risiko und erhalten oft den Gesamtertrag.

Kleiner Exkurs zum Trocknen (hier kehrt der Schimmel gern zurück)

Manchmal ruiniert erst das Trocknen die schimmelfreien Wochen. Nach der Ernte rF um 55–60 % halten und 17–19 °C stabil, mit sanftem Luftzug in der Nähe, nicht direkt auf die Blüten. Zu feucht — der Pilz kommt zurück; zu trocken — das Aroma verfliegt. Geduld und Balance gewinnen.

Was man nicht tun sollte — kurze „Nie“-Liste

  • Niemals Spätblüten besprühen in der Hoffnung, Chemie „frisst“ Botrytis tief im Cola.
  • Niemals befallenes Material dem Rest der Ernte beimischen („für Extrakte geht’s schon“) — Gesundheitsrisiko.
  • Niemals einen kleinen Herd verharmlosen. Botrytis macht keine Witze.

Ernte beschleunigen oder weiterkämpfen?

Wenn trotz Klimakorrektur täglich neue Herde entstehen und die Reife passt — konserviert eine maßvolle Teilernte die Qualität. Ist das Problem lokal und das Klima stabil — saubere Schnitte, strikte Hygiene und 48–72 Stunden wachsame Beobachtung können es stoppen. Denk an Grasbrand: tritt ihn sofort aus oder sieh zu, wie er zum Wald wird.

Fazit — den Pilz mit Organisation schlagen

Botrytis ist keine „Strafe“, sondern die logische Folge bestimmter Bedingungen. Sie stiehlt Ertrag dort, wo sie sich heimisch fühlt: Feuchtigkeit, stehende Luft, warme, dichte Taschen im Cola-Inneren. Das Gegenmittel ist in der Theorie simpel, in der Praxis anspruchsvoll: geschichtete Luftführung, stabile Nächte, durchdachte Pflanzenarchitektur und hygienische Disziplin. Und wenn Grauschimmel trotzdem anklopft — sauber schneiden, ohne Reue entsorgen und das Umfeld sofort korrigieren.

Paradoxerweise bekommen viele von uns erst nach einer Botrytis-Erfahrung das echte „Gefühl“ für die Blüte. Denn sie lehrt die Kernkompetenz dieser Kunst: die leise Kontrolle des Unsichtbaren. Und wenn du am Saisonende die Trockenkammer öffnest — ohne einen Hauch von Grau — weißt du: Gewonnen hat nicht die Kraft, sondern die Konsequenz.

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