Eine gute Mutterpflanze ist kein „Busch in der Ecke“, sondern ein präzise geführter Spenderbaum. Je besser du sie vorbereitest, desto leichter bewurzeln die Stecklinge, desto gleichmäßiger werden die Chargen und desto weniger Überraschungen gibt es unterwegs. Hier kommt ein einfaches, aber vollständiges Konzept: von Ernährung und Licht über Hygiene und Phytosanität bis zum Wochenplan der Vorbereitung und einer Liste mit Dingen, die du bereitlegen solltest.
Grundlagen einer gesunden Mutterpflanze
Alter & Zustand:
- Ideal sind 6–8 Wochen stabile Vegetationsphase nach vollständiger Bewurzelung, ohne Stresssymptome (keine Verkümmerung, Chlorose, Flecken oder seltsame Deformationen).
- Alle 6–12 Monate die Linie auffrischen – wähle den vitalsten, gesündesten Steckling als neue Mutter. So reduzierst du Pathogenaufbau und „Mutterermüdung“.
Umgebung (Mutterzone):
- Photoperiode: 18/6 (stabil, energieeffizient) oder 20/4, wenn du maximalen Wiederaustrieb willst.
- PPFD:200–400 μmol·m⁻²·s⁻¹ über dem Canopy (gleichmäßiger Lichtteppich; keine Hotspots).
- Temperatur:24–26 °C Tag, 20–22 °C Nacht.
- Relative Luftfeuchte:60–70 % (VPD um 0,8–1,2 kPa).
- CO₂: Umgebungsniveau reicht; Anreicherung ist für Mütter nicht nötig.
Substrat und pH/EC:
- Coco/soilless: pH 5,8–6,2, Fütterungs-EC typischerweise 1,2–1,6 mS/cm.
- Erde/Light-Mix: pH 6,2–6,6; schwächer düngen und Blätter „lesen“, statt Zahlen hinterherzujagen.
Ernährung der Mutter: „Fluffig“ vs. „festes Gewebe“
Im Alltag mag die Mutter Stickstoff (Blatt- und Triebaufbau), aber direkt vor dem Schnitt willst du keine „saftigen, weichen“ Gewebe – die halten Wasser schlechter und welken nach dem Schneiden eher. Bewährt hat sich:
- Veg-Basis (N-betont) im Alltag, mit vollem Ca/Mg und Mikros.
- 7–10 Tage vor dem Schnitt: EC sanft um ~20–30 % senken (z. B. auf 0,8–1,0 mS/cm in Coco/soilless), etwas weniger N, dafür Calcium/Magnesium stabil halten (ungefähr 120–150 ppm Ca, 40–60 ppm Mg) und Silizium (20–40 ppm) für festere Zellwände.
- Kelp/B-Vitamine – optional als Antistress; bei Blattapplikation ≥7 Tage vorher stoppen, damit die Stecklinge nicht mit „nasser“ Cuticula starten.
- Am Vortag des Schnitts:durchdringend gießen bis leichter Drain – maximaler Turgor. Kein Trockenstress.
Architektur & Training: eine „Klonfabrik“ aufbauen
- Topping und selektiver Formschnitt21–14 Tage vor dem Schneiden, um viele gleichmäßige Seitentriebe anzuregen.
- Internodienabstand: kurze, kräftige Internodien anstreben; ideale Schnittlänge 10–15 cm, etwa bleistift-dick.
- Schwache untere Triebe entfernen (leichtes Lollipopping) – die Mutter investiert in künftige, uniforme „Stecklingsstifte“.
- Luftbewegung: sanfter, stetiger Luftstrom über dem Canopy, kein direkter Jet auf die Blätter. Das dämpft Mehltau und kräftigt Gewebe.
Hygiene & Phytosanität: keine Kompromisse
- Werkzeugdesinfektion: Skalpell/Schere in 70 % Isopropanol tauchen (oder abflammen + abkühlen) nach jeder Pflanze, ideal nach jedem Schnitt.
- Hände/Handschuhe: Einmalhandschuhe + Antiseptik; eigener Kittel nur für die Mutterzone.
- Schädlingsfreie Mutter: Gelbtafeln, Blattunterseiten inspizieren, präventive Nützlinge (Räuberische Milben in Zyklen). Schwere Öle und „klebende“ Sprays in den letzten 10 Tagen vermeiden.
- Latente Pathogene (HLVd usw.): Bei Beständen unklarer Herkunft Schnelltests erwägen, bevor eine Mutter etabliert wird (typisch €25–€50 pro Test).
Vorbereitungs-Zeitplan (T−28 bis T0)
- T−28 bis T−21 – Topping über dem 4.–6. Nodium, inneres Kronendach auslichten, Höhen angleichen.
- T−14 – selektives Auslichten in Richtung Licht (Krone öffnen), horizontale Luftbewegung einstellen.
- T−10 – Pre-Cut-Ernährung starten: EC senken, Ca/Mg/Si halten. Letzte sichere Blattapplikation (falls überhaupt).
- T−7 – alle Sprays stoppen; Zieltriebe markieren (Clip/Soft-Tie), Fächerblatt am unteren Nodium entfernen, um die Schnittstelle freizulegen.
- T−3 – Micro-Cleanup in der Krone, Schädlingscheck, pH-Meter kalibrieren, Arbeitsplatz desinfizieren.
- T−1 – durchdringend gießen (max. Turgor), Tools und Medien für Stecklinge vorbereiten (Würfel/Plugs auf den richtigen pH einweichen).
- T0 (Schnitttag) – morgens arbeiten, wenn der Turgor am höchsten ist; Mutter bei 24–25 °C halten, keine Zugluft, keine Blattbenetzung am Schnitttag.
Welche Triebe schneiden wir? Schnelle Auswahl-Checkliste
- Halbweiches Gewebe (nicht verholzt, aber federnd).
- Durchmesser 3–5 mm, Länge 10–15 cm mit 2–3 Nodien.
- Frei von Schäden, Flecken, Schädlingen; gleichmäßiger Wuchs.
- Genetische Repräsentativität – von mehreren Ästen schneiden, nicht nur von einem „Arm“.
Arbeitsbereich & Werkzeuge (grobe Kosten)
- Skalpelle/Präzisionsscheren:€5–€15.
- Isopropylalkohol 70 %:€5–€10.
- Arbeitstablett + Silikonmatte:€10–€20.
- Wasserfeste Marker/Labels:€3–€8.
- pH/EC-Meter (kalibriert): €30–€80 (optional PAR-Meter: €150–€250).
- HLVd-Schnelltest (optional):€25–€50.
- Silizium-Supplement / Ca-Mg:€10–€20 jeweils.
(Hinweis: Diese Liste dient der Mutter-Vorbereitung; das eigentliche Bewurzelungs-Kit – Würfel/Plugs, IBA-Gel, Heizmatte, Haube – hängt von deinem Workflow ab.)
Häufige Fehler bei Mutterpflanzen (und Abhilfe)
- Zu viel Stickstoff vor dem Schnitt → „fluffiges“ Gewebe, Welken nach dem Trennen.
Lösung: EC und N 7–10 Tage vor T0 senken; Ca/Mg/Si stabil halten. - Schlechte Werkzeughygiene → Infektionen an der Schnittbasis.
Lösung: Isopropanol nach jedem Schnitt. - Zugluft oder Kälte am Schnitttag → schneller Turgorverlust.
Lösung: stabile 24–25 °C, kein direkter Luftstrahl auf die Mutter. - Zu lange „Stäbchen“ mit riesigen Fächerblättern → übermäßige Transpiration.
Lösung:10–15 cm schneiden und Blattspreiten um 1/3–1/2 kürzen – am Steckling, nicht an der Mutter. - „Ewige“ Mutter unter chronischem Stress → Vitalitätsverlust der Chargen.
Lösung:Plan zum Muttertausch alle 6–12 Monate + routinemäßige Gesundheitschecks.
Fazit: Eine Mutter ist ein Prozess, kein Ereignis
Die Vorbereitung einer Mutterpflanze fürs Klonen besteht aus wiederholbaren Gewohnheiten: kontrolliertes Licht und Klima, leicht schlankere Pre-Cut-Ernährung, festeres Gewebe durch Ca/Mg/Si, kompromisslose Hygiene und eine sinnvolle Kronenarchitektur. So erhältst du Stecklinge, die gleichmäßig bewurzeln, den Turgor schnell halten und eine planbare Produktion ohne Roulette erlauben. Ist die Mutter „eingestellt“, wird der Rest (Gel, Würfel, Haube) zur Routine – nicht zum Überlebenskampf.