Wenn deine Canopy die Lampe küsst und der Dimmer nicht mehr reicht — es ist Zeit für Supercropping. Das ist kein brutaler Schnitt, sondern smarte Höhenkontrolle bei Cannabis: Du weichst den Stängel auf, legst den Trieb in einem Winkel ab, und die Pflanze reagiert mit stärkerem Saftfluss und einer flacheren „Tischplatte“ aus Colas. Im Indoor regieren PPFD, DLI und LED-Abstand — Supercropping hilft, dieses Trio zu synchronisieren, ohne Watt draufzulegen.
Supercropping — was es ist und warum es funktioniert
Kurz gesagt: kontrollierte Mikroschädigung leitender Gewebe, nach der die Pflanze die Wunde vernarbt und einen „Knuckle“ bildet — eine Verdickung, die den Biegepunkt verstärkt. Diese „Blase“ verbessert den Transport von Wasser und Assimilaten, und der Trieb richtet sich horizontal aus, was die Canopy nivelliert. Willkommener Nebeneffekt: Auxine versorgen nicht mehr nur die Alpha-Cola, sodass mehr Seitentriebe ihren Lichtanteil bekommen. Das ist die Essenz von Pflanzentraining bei Cannabis — „smarter statt härter“.
Nicht mit Topping verwechseln: Beim Supercropping schneidest du die Spitze nicht ab — du weichst sie auf und gibst eine neue Richtung vor. Im Indoor, wo jeder Zentimeter LED-Abstand zählt, gehört es zu den wertvollsten Moves neben LST und SCROG.
Wann zum Pinch-and-Roll greifen — und wann lieber lassen
- Wachstum (Woche 3–6): Stängel sind flexibel, die Pflanze regeneriert schnell — das Goldene Zeitfenster für Pinch-and-Roll.
- Frühe Blüte (Woche 1–3 unter 12/12): Wenn die Sorte in den Stretch geht, hilft Supercropping, die „Decke“ unten zu halten. Später besser verzichten — das Ertragsrisiko steigt.
- Autoflowers: Nur früh und sehr sparsam. Autos verzeihen keine lange Rekonvaleszenz — wenn du unsicher bist, nimm LST.
Grüne Ampeln: Spitzen rennen voraus und der LED-Abstand schrumpft; Panel anheben oder Leistung senken reicht nicht; du willst PPFD gleichmäßiger über das Zelt verteilen.
Stängel „weich machen“ — Schritt-für-Schritt-Technik
- Biegepunkt: 2–5 cm unter der Spitze oder genau dort, wo der Trieb „ablegen“ soll. Meide frische Verzweigungen und schon verholztes Gewebe.
- Griff: Daumen und Zeigefinger umschließen den Stängel.
- Pinch-and-Roll: Den Stängel sanft drücken und rollen für 5–10 s, bis die Fasern „nachgeben“ und er geschmeidig wird.
- Die Biegung: In einer fließenden Bewegung den Trieb auf 70–90° zur Vertikalen legen. Ziel ist eine Kurve, kein scharfer Knick.
- Support + LST: Position mit weichem Pflanzenbinder/Kabelbinder fixieren, am Topfrand, an einem Stab oder im SCROG-Gitter.
- Nachjustieren nach 24–48 h: Triebe „zielen“ wieder nach oben — normal. Binder nachfassen, um eine plane Canopy zu halten.
Pro-Tipp: Fühlt sich der Stängel wie ein Zweig an und knackt statt zu flexen — zu einem grüneren Abschnitt wechseln oder auslassen. Supercropping ist Tanz, kein Ringen.
Warum das Ganze? Höhenkontrolle in Zahlen
- LED-Abstand und PPFD: Tops 20–40 cm unter einem typischen 200–480 W-LED über 120×120 cm halten PPFD im sicheren Bereich ohne Bleaching.
- DLI und Uniformität: Eine breite, gleichmäßige „Tischplatte“ aus Colas = stabiles DLI über die gesamte Fläche. Weniger Popcorn, mehr „A-Grade“-Blüten.
- Stretch im Griff: In Woche 1–3 unter 12/12 verdoppeln viele Photoperioden ihre Höhe. Ein bis zwei Biegungen eliminieren „Wolkenkratzer“ und retten den LED-Abstand.
Risiken des Supercroppings und wie man sie minimiert
Der größte Feind heißt Eile.
- Rindenriss: Zu scharfe Biegung ohne vorheriges Weichmachen. Langsam arbeiten, länger rollen.
- Aufgestapelter Stress: Kein aggressives Supercropping mit massiver Defoliation oder Umtopfen am selben Tag kombinieren. Maßnahmen auf 2–4 Tage verteilen.
- Hermaphroditismus: Empfindliche Genetiken reagieren in der frühen Blüte schlecht auf harten Stress. Sanft vorgehen, Knoten beobachten.
- Infektionen: Hände und Werkzeuge immer desinfizieren (70 % IPA). Wunden sind Einfallstore für Pathogene.
- Wachstumsstopp: Späte Eingriffe (nach Woche 3 unter 12/12) schaden häufiger als sie nützen.
Erste Hilfe, wenn es doch „knackt“
Passiert. Reißt ein Stängel: Kanten zusammenführen, mit Vinyl-Pflanzenband oder Isolierband umwickeln, Bambusstab als Schiene hinzufügen. Die Kante mit Aloe oder Honig betupfen geht — natürliche Antiseptika — aber Stabilisierung ist das Wichtigste. Unter Standardbedingungen zeigen sich Heilungszeichen nach 48–72 h; Band nach 7–14 Tagen entfernen. Bis dahin sanfte VPD-Bedingungen halten und Zugluft vermeiden.
Aftercare — was nach dem Training zu tun ist
- Licht:DLI für einen Tag um ~10–20 % reduzieren, um frisch gestresstes Gewebe nicht „zu toasten“.
- Düngung:Silizium (Si) stärkt Zellwände — im Veg-Stadium ~50–100 ppm Si anpeilen, in der Blüte eher am unteren Ende bleiben. Ca/Mg stabil halten.
- Bewässerung und Klima: Gleichmäßiger Rhythmus, Staunässe vermeiden. Veg oder frühe Blüte mögen 55–65 % rF, später 45–55 %.
- Hygiene: Abgebrochene Blätter sofort entfernen — ein feuchter Dschungel lädt Probleme ein.
LST und SCROG integrieren — das Duo für Höhenkontrolle
Supercropping harmoniert hervorragend mit sanftem LST. Erst Triebe weich machen und ablegen (Pinch-and-Roll), dann mit leichtem LST die Canopy-Geometrie verfeinern. Läuft ein SCROG, dient das Netz als „Stativ“ für frisch abgelegte Triebe. So bleibt der LED-Abstand stabil und PPFD verteilt sich fast wie auf einer Laborbank.
Was kostet das? (EUR)
- Weiche Gartenbinder (10–20 m): 4–8 €
- Vinyl-Pflanzenband / Isolierband: 5–10 €
- Bambusstäbe (10–20 Stk.): 3–7 €
- SCROG-Netz 120×120 cm: 8–15 €
- Silizium-Supplement (0,5–1 l): 10–20 €
Mit 30–50 € rüstest du den heimischen „Canopy-Chirurgen“ für viele Zyklen komplett aus.
FAQ — schnelle Antworten für Eilige
Wie viele Biegungen pro Session? Meist 1–3 Schlüsseltriebe pro Pflanze, dann 2–3 Tage Pause und ggf. Nacharbeit.
Endabstand zur LED? Panelabhängig, meist 20–40 cm über 120×120 cm bei 200–480 W; Herstellerangaben beachten und Blätter lesen (Tacoing, Bleaching = zu nah).
Steigert Supercropping den Ertrag? Meist ja, weil es DLI glättet und den Saftfluss verbessert. Entscheidend sind Timing und Maßhalten.
Autos? Möglich, aber früh und mit Gefühl. Bei Unsicherheit lieber LST ohne starken Druck.
Zusammenfassung
Supercropping ist eine elegante Methode zur Höhenkontrolle von Cannabis im Indoor: ein wenig Stress an der richtigen Stelle, dafür eine flache Canopy, sicherer LED-Abstand und gleichmäßigere Erträge. Die einfache Regel: weich machen — biegen — stützen — pflegen. Kombiniere es mit LST/SCROG, halte es sauber und gib Silizium. Wenn du solide Knuckles und schnurgerade Tops siehst, verstehst du, warum Pinch-and-Roll zum Standardrepertoire erfahrener Grower gehört.